"Titus"
[Buch über Genette's Erzähltheorie in 20 Teilen]

(Auszug aus Akt 1, Szene 1)

Titus: So jetzt bin ich fertig. Sehr schön.

Franziska: (Die Zimmertür schnell und laut aufmachend) Echt? Wie kannst Du fertig sein, ich hab doch noch gar nicht angefangen.

Titus: (Erschrocken, und zu Franziska laut sprechend) Uaaaah! Man, Franziska! Ich hab Dir schon tausendmal gesagt, Du sollst mich nicht so erschrecken!

Franziska: Ähm ja. Erstens: Sagst Du doch immer, ich wäre Deine Tochter und eine Tochter ist weiblich. Somit kann ich kein Mann sein! Zweitens: Tausendmal hast Du geklagt, Tausendmal hab ich "Mir egal" gesagt, Wieso sollte es sich beim tausend und einen Abend ändern? Ich erschreck Dich doch so gern!

Titus: Oh Franziska, musst Du immer alles so wortwörtlich nehmen?

Franziska: Na ja, buchstabenwörtlich oder wortbuchstäblich macht doch keinen Sinn, oder Herr Lehrer?

Titus: (Langsam vor Wut schäumend) Rrrrrrh. Ich bin nicht Dein Lehrer, sondern Dein Vater.

Franziska: Oh, und ich bin Luke Skywalker. Also doch männlich, Darth Vader?

Titus: Rrrrrh, Franziska! Womit hab ich Dich nur verdient?

Franziska: Ähm, was fragst Du mich. Ich war ja wohl an meiner Entstehung nicht beteiligt. Aber mein Biolehrer und auch mein Deutschlehrer können Dich sicher aufklären.

Titus: Dein Deutschlehrer?

Franziska: Ja! Mein Deutschlehrer kann Dir bestimmt etwas über die Aufklärung erzählen. Wenn ich mich nicht irre, war sie von 1720 bis 1800. Und falls Du mir die Zeitangaben nicht glauben solltest, kannst Du ja meinen Deutschlehrer fragen, dem wirst Du ja mehr glauben als mir.

Titus: Wir sind hier nicht in der Kirche. So ist der Glaube fehl am Platz. Und außerdem, Du weißt, dass ich Deutschlehrer bin. So werde ich nächstes Schuljahr auch die Aufklärung unterrichten, da brauche ich nicht Deinen Deutschlehrer zu fragen.

Franziska: Na gut, dann muss Dich jetzt ja nur noch mein Biolehrer aufklären.

Titus: Ach, Franziska, bei Dir ist Hopfen und Malz verloren.

Franziska: Ähm ja, Hopfen und Malz brauche ich ja auch nicht. Ich trinke ja kaum Alkohol, anders als Du.

Titus: Also erstens, trinke ich nur täglich ein Glas Wein und zweitens ist dies ja wohl gesünder, als keinen zu trinken.

Franziska: Ja, zu viel davon ist aber auch nicht gut!

Titus: Aaaah, Franziska, warum bist Du überhaupt herein gekommen?

Franziska: Ich soll Dir von Mama sagen, "Papa, das Essen ist fertig!" Auch wenn ich nicht weiß, wie sie das Essen fertig gemacht hat. K.O. geschlagen hat Sie das Essen jedenfalls nicht.

Titus: (Unterbrechend) Ja, ist gut. Ich räume nur schnell auf und dann bin ich auch schon am Tisch.

Franziska: Oh, da hat jemand etwas gelernt.

Titus: (Sachen wegpackend und Franziska hinausscheuchend, mit Ihr hinausgehend) Ja, hab ich. Und nun raus hier.

Auszug aus Teil 11, Iterative Erzählung

Mittlerweile war es Freitag. Titus wollte die Frequenz nach Genette's Modell heute abschließen. Es gäbe genau drei Typen der Frequenz, so sprach er. Das wusste die elfte Klasse. Während Titus die singulative und die repetitive Erzählung letzten Mittwoch schon erklärte, kam heute die iterative Erzählung dran:

Bei der iterativen Erzählung wird ein Geschehen, das mehrmals stattfindet, nur einmal erzählt. Dabei sollte Euch klar sein, dass nie etwas exakt wie etwas Vorheriges sein kann. Deswegen müssen die wiederholten Handlungen nur ähnlich sein. Wenn ich Euch also von meiner letzten Woche berichten würde, und dabei nur einen Tag als Beispiel nehmen würde, so wäre dies eine iterative Erzählung, wenn alle anderen Tage so ähnlich abliefen. Ich werde Euch am besten ein kleines Beispiel geben.

Jeden Morgen in der Woche stand Titus um die gleiche Zeit auf. Ob montags oder dienstags, mittwochs oder donnerstags, freitags oder montags. Jeder der fünf Tage verlief nahezu identisch. Wenn Mann und Frau mal davon absieht, das ein Montag kein Dienstag war, ein Mittwoch kein Donnerstag, ein Freitag kein Montag. Jeden Morgen klingelte sein Wecker um sieben Uhr. Titus stand auf, machte sein Bett und ging sogleich ins Badezimmer. Zoe machte Ihm fast nach. Sie stand auf, machte ihr Bett und ging sogleich in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Titus hingegen ging unter die Dusche und rasierte sich anschließend. Dann putze er seine Zähne und zog seine Kleidung für den heutigen Tag an. So war es schon kurz nach Viertel Acht, als er in die Küche kam. Er kam genau richtig zum Frühstück. Während Titus im Bad war, nahm Zoe das Kaffeepulver und gab es in die Kaffeemaschine. Dann wurde die Kanne mit Wasser gefüllt, das Wasser in die Kaffeemaschine gegossen und die Kanne zurück auf Ihren Platz gestellt. Schnell vier Brötchen aus dem Kühlfach, ab in den Ofen und einige Minuten später sollten sie fertig sein. Sieben Minuten waren es ganz genau. Zoe holte die Brötchen aus dem Herd, schnitt Sie auf und bestrich zwei davon mit Erdbeermarmelade, eines mit Himbeermarmelade und das Andere mit Schokoladenaufstrich. Während die letzten beiden Brötchen für Zoe bestimmt waren, gab es für Titus zwei Brötchen mit Erdbeermarmelade. Seit Jahren und Jahrzehnten gab es für ihn immer Brötchen mit Erdbeermarmelade. Allzu viel Zeit hatte Titus nicht. Spätestens um Dreiviertel Acht musste er im Lehrerzimmer sein. Egal ob es Montag oder Dienstag war, Mittwoch oder Donnerstag, Freitag oder Montag.

Jeden Morgen in der Woche war er gegen Dreiviertel Acht in der Schule. Es sei denn, die Schule war geschlossen. Dann war Titus zu Hause. Während sich die Kinder freuten, wieder Ferien zu haben, musste Titus Arbeiten kontrollieren oder die nächsten Unterrichtsstunden vorbereiten. Aber Ferien gab es aktuell nicht und so ging Titus in die Schule und lehrte die Erzähltheorie im Deutschunterricht.